Dieser Titel ist geklaut: Ein Bündnis „Für menschenwürdige Arbeitsbedingungen und mehr Umweltschutz im Seeverkehr“ heißt so.
90% des Welthandels kommen über das Meer. Weltweit gibt es ca. 50.000 Handelsschiffe mit ca. 1,2 Mio Seeleuten. Dennoch ist der Seeverkehr für Öffentlichkeit und Politik ein blinder Fleck. Weder die Umweltfolgen noch die sozialen Verhältnisse der Seeleute regen uns auf. Beim fairen Handel (Fairtrade-Produkte) wird der Transport ausgeblendet.
Billigflaggen
Der Seeverkehr ist global organisiert – auf merkwürdige Weise: Schiffseigner — heute oft Großkonzerne, Banken, Fonds — können ihr Schiff in solche Staaten „ausflaggen“, die die geringsten Steuern, Sozialabgaben und Auflagen fordern: „Billigflaggenstaaten“ wie Panama, Liberia, Bahamas. Der Firmensitz: oft ein Briefkasten oder eine Anwaltskanzlei. Seinen Heimathafen muss ein Schiff nie sehen.
Von den 1988 Schiffen in deutschem Eigentum fuhren Ende 2019 nur 302 unter deutscher Flagge, davon 159 im „Zweitregister” ISR, einer Art deutscher Billigflagge.
Geregelt wird der globale Seeverkehr durch UN-Organisationen wie die IMO — International Maritime Organisation. Hier haben die Billigflaggenstaaten die (Tonnage-)Mehrheit und vertreten ihre Interessen auch bei Umwelt- und Arbeits-Konventionen.
Umweltfolgen
Bleiben wir zunächst bei der Ökologie. Ein Lichtblick: Ab 2020 darf Schiffs-Kraftstoff statt 3,5% nur noch 0,5% Schwefel enthalten (in Nord- und Ostsee seit längerem nur 0,1%; im Straßenverkehr: 0,001%, Umweltbundesamt). Sonst muss das Abgas gereinigt werden.
Doch Probleme bleiben: Mit 2,6% der weltweiten CO2-Emissionen ist der Anteil der Seeschifffahrt höher als der Deutschlands (2%). Und nach der IMO soll er bis 2050 nur um 50% verringert werden, statt um 80–95% nach der Pariser Klimakonvention.
Unfälle, Abfälle und Abrieb des giftigen Antifouling-Anstrichs verdrecken noch immer die Meere. Schrauben- und Sonargeräusche gefährden nicht nur Wale. Eingeschleppte fremde Organismen verteilen sich weltweit über das Ballastwasser. Beim Abwracken in Indien, Pakistan und Bangladesh vergiften Rückstände Menschen und Strände. Es gibt viele IMO-Umweltkonventionen, aber wenig Kontrolle.
Arbeitsschutz?
Dasselbe gilt für die Arbeitsbedingungen der Seeleute. Die Maritime Labour Convention MLC von 2006 setzt soziale Mindeststandards. Eine 7‑Tage-Arbeitswoche von 70–90 Stunden bleibt aber möglich. Urlaub? Meist vermitteln die Agenten nur befristete Arbeitsverträge. In der MLC gibt es weder eine Mindestbesatzung noch eine Mindestheuer. Die vielen Überstunden führen auch auf Schiffen mit deutscher Flagge zu Stundenlöhnen weit unter dem deutschen Mindestlohn. Ausbeutung und Missbrauch sind keine Seltenheit.
Meine Meinung
Das „Ausflaggen“ ist Hauptgrund für den Mangel an Nachhaltigkeit im Seeverkehr. Schiffe müssen der Rechtsordnung des Eigentümerstaates unterliegen! Nationale Ladungslenkung (deutsche Ladung auf deutsche Schiffe) ist verpönt. Aber ein Lieferkettengesetz könnte verbindliche Nachhaltigkeitsstandards für den Transport festlegen. Zudem müssten die internationale Gewerkschaft ITF sowie die Hafenkontrollen gestärkt werden, um die Umwelt- und Arbeitskonventionen durchzusetzen. Deutsche Politik muss den Blick auf die Seeschifffahrt ergänzen: Über die hohen Subventionen sollte sie die Reeder auf einen fairen Seeverkehr verpflichten.
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