Für Großstädter wie mich ist Landwirtschaft unwegsames Gelände. Dennoch bin ich Teil davon. Das spüre ich auf dem Wochenmarkt.
Januar: Grüne Woche, Leistungsschau der Landwirtschaft und immer wieder Anlass für Kritik. Fuhr der große Traktoren-Korso im Herbst noch gegen das Agrarpaket der Bundesregierung an, hieß die Trecker-Demo am 18.1.: „Wir haben die Agrarindustrie satt“. Auch das Bauernvolk ist sich nicht einig.
Die Landwirtschaft ist EU-Gebiet
Die Agrarpolitik ist „vergemeinschaftet“: Die EU alimentiert die europäische Landwirtschaft mit ca. 58 Mrd. € (2017) jährlich. Davon 40 Mrd. € als Direktzahlungen in Form einer Flächenprämie („1.Säule“). In Deutschland bleiben davon ca.6 Mrd €. Egal, was auf der Fläche passiert, gezahlt wird pro Hektar. Für 100 ha Land ca. 25−32.000 €, für Großbetriebe mit 4000 ha über 1 Mio € im Jahr.
Aber dafür brauchen die Begünstigten, besonders die Kleinbetriebe, einen harten Bleistift: Basisprämie, „Greeningprämie“, Umverteilungsprämie, Jungbauernprämie… Gibt es alles nur, wenn die „Cross-Compliance-Verpflichtungen“ eingehalten, die „Greeningauflagen“ erfüllt, die betriebsbezogenen Vorschriften umgesetzt, Dokumentationen erarbeitet und Anträge fristgerecht gestellt sind… Langsam erhöhen EU und Mitgliedsländer ihre Anforderungen an Umwelt‑, Arten- und Tierschutz. Und die neue EU-Chefin will mehr. Also noch öfter Schreibtisch als Traktor? Auch Bürokratie für einen guten Zweck bleibt Bürokratie.
Subventionen statt gerechter Preise?
Und die andere Seite: Bekommen die Bauern für ihre Produkte – konventionell oder bio – einen angemessenen Preis? Die großen Handelsketten sind kostenbewusst, nutzen ihre Marktmacht und drücken die Erzeugerpreise.
Denn die Kunden sind preisfixiert. Die Deutschen geben durchschnittlich nur ca. 10% ihres Haushaltseinkommens bzw. 14 % ihrer Konsumausgaben für Lebensmittel aus. 1970 waren das noch 25% der Konsumausgaben. Bei armen Menschen ist das sicher mehr, aber im Ländervergleich immer noch eher wenig.
Folge aus alledem: Die Landwirt*innen sind unzufrieden. Jedes Jahr geben 1,3% der bäuerlichen Betriebe auf, werden von größeren geschluckt. Nachwuchs fehlt. 11 % der Betriebe verfügen über 55 % der landwirtschaftlichen Fläche. Längst haben Immobilienmakler Äcker als sichere Anlage für Nicht-Landwirte bzw. deren Strohleute erkannt. Grundstücks- und Pacht-Preise steigen. Es wird spekuliert. Was also tun?
Meine Meinung
Alle wollen gesundes Essen, sauberes Grundwasser, in der Umgebung Insekten, Vögel, Feldhasen und manchmal Fleisch von artgerecht gehaltenen Tieren. Ich unterstelle: die Landwirt*innen wollen das auch – wenn sie ihr Auskommen haben.
Dafür zahle ich lieber einen „guten“ Preis für „gute“ Agrarprodukte als Steuern für eine aufwendige EU-Gießkannenförderung pro Hektar. Und wird’s zu teuer, nehme ich weniger oder etwas anderes. Für meine Steuern wünsche ich mir eine Agrarpolitik, die Klima‑, Ressourcen‑, Arten- und Tierschutz auf hohem Niveau als Daseinsvorsorge gewährleistet – mit Regeln und spezifischer Förderung. Ihr Ziel sollte weniger die exportorientierte Agroindustrie sein, als vielmehr eine kompetente, verantwortungsvolle und zufriedene Bauernschaft. Die findet man häufig – aber nicht nur – in Biohöfen und Betrieben der solidarischen Landwirtschaft: Partnerschaften von Bauern, Verbraucher*innen und anderen.
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