Die einen und die anderen
Auch in Hamburg gibt es Arme, die auf Konsum oft verzichten müssen. Und es gibt die freiwilligen Konsumverweigerer – aus Erziehung oder Überzeugung. Die allergisch sind gegen glitzernde Einkaufszentren, Riesenauswahl, Kundenkarten und jegliche Werbung. Die fleischarm essen und nur kaufen, weil es zur Ersatzbeschaffung notwendig ist. Die keine Lust und Zeit haben, sich immer wieder auf neue Konsummoden einzulassen. Die ihre soziale Anerkennung in Sportvereinen, Musikgruppen oder Naturschutzinitiativen finden.
Und dann gibt es die anderen, die immer auf der Höhe der Zeit sind, auf allen Modewellen mit schwimmen, Erlebnis-Shopping genießen. Die oft und gerne online bestellen und bei Nichtgefallen alles zurückschicken. Die liken, bewerten, (mit-)teilen und immer online sind. Die Shopping-Flüge, SUV und Cluburlaub in Thailand mit gesellschaftlichem Status verbinden und Anerkennung im Besitz suchen. Premium-Kunden, Poser, Schnäppchenjäger.
(Zugegeben: schwarz-weiß – zur Verdeutlichung; groß ist der Graubereich dazwischen.)
Die Perspektive
Es ist klar, wessen Lebensstil ökologisch nachhaltiger ist. Aber es ist auch klar, wer Wirtschaftswachstum, Steuereinnahmen, Arbeitsplätze sichert. Heute. Aber wie lange noch? Endloses Wachstum mit abnehmenden endlichen Ressourcen bei einer wachsenden –konsumorientierten – Weltbevölkerung kann nicht funktionieren. Wir leben hier und heute auf Kosten anderer Weltregionen und auf Kosten zukünftiger Generationen: Der Lebensstil der Deutschen bzw. ihr ökologischer Fußabdruck bräuchte 3 Planeten Erde, würde er auf alle Menschen verallgemeinert.
Der technische Fortschritt, die Effizienzsteigerung bei jeder neuen Generation von PKW, Flugzeugen oder Smartphones, spart Energie und Ressourcen pro Stück. Aber es gibt auch immer mehr Smartphones, PKW und Flugzeuge — größer, funktionsreicher. Der Verbrauch endlicher Ressourcen hat global bisher ebenso zugenommen wie die CO2-Emissionen.
Ich unterstelle, dass den Konsum-Fans genauso viel an globaler Gerechtigkeit liegt wie den Konsum-Verweigerern. Alle wollen eine intakte Erde und Wohlstand für Kinder und Enkel.
Wenn Effizienzfortschritte bisher nicht verfingen, dann bleibt zweierlei: 1. alle Produkte in eine abfallfreie Kreislaufwirtschaft überführen („Konsistenz“) – das kostet viel Zeit. Und 2.: Subsistenz: weniger konsumieren. Aber darauf – auf eine „Postwachstums-Gesellschaft“ — ist unser Wirtschaftssystem nicht vorbereitet. Einzelne können nur zeigen, wohin es gehen müsste, können Anstöße geben. Politik hilft ihnen wenig, sie reagiert eher kurzfristig auf Mehrheitsmeinungen, nicht auf langfristige Notwendigkeiten. Was also tun zur Vorbereitung eines zukunftsfähigen Konsumstils?
Meine Meinung
Die umweltbewussten Leitfiguren der Nation, die Stars, Serienhelden und Meinungsmacher müssten die gesellschaftliche Anerkennungsstruktur ändern. Sie müssten demonstrativ auf Neuheiten verzichten, auch mal die Freiheit ohne Smartphone herausstellen. Sie müssten es peinlich finden, ein SUV zu besitzen, aber cool, mit einem superleichten Rennrad herumzucruisen. Sie müssten die Nase rümpfen über luftverpestende Kreuzfahrten und Fernflüge in abgeschottete Clubs — ebenso wie früher über Pelze oder Zigarettenqualm. Und die Konsumverweigerer sollten auch mal posen — mit Ball, Notenblatt oder Igel. Eigentlich richtig, aber Illusion?
Foto: Andreas Lischka auf Pixabay