Wenn Deutschland bis 2050 nahezu CO2-frei werden will, dann muss jetzt einiges passieren: zigtausend neue Windkraft‑, Photovoltaik- und Biomasseanlagen, um Kohle, Öl und Gas zu ersetzen. Mit grünem Strom sollen ja bald auch noch viele E‑Autos betankt sowie — sehr energieintensiv — Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe hergestellt werden.
Wie weit sind wir?
16,7 % des Endenergieverbrauchs (Strom, Wärme, Kraftstoffe) in Deutschland kamen 2018 aus erneuerbaren Energien (EE), z.B. aus 28.511 Windkraftanlagen an Land. Bei der Stromproduktion betrug der EE-Anteil 37,8% — die Hälfte aus Windanlagen, je ein Fünftel aus Biomasse und Photovoltaik. In Hamburg sind es 4,2% (2017)! Bei der Wärmeproduktion erreichten die EE — zumeist Biomasse – bundesweit 14,2% und im Verkehr 5,7% mit Biokraftstoffen und grünem Strom. Beachtliche Schritte, aber es bleibt viel zu tun. Die tief hängenden Früchte sind gegessen.
Wie geht es weiter?
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz von 2017 will vor allem die Strompreise zügeln und die Stromnetze vor Überlastung schützen. Instrumente: komplexe Ausschreibungsverfahren, jährliche Begrenzungen des Zubaus und die Einrichtung eines „Netzausbaugebietes“ im Norden mit zusätzlichen Einschränkungen für Windkraftanlagen.
Ergebnis: 2018 wurden in Deutschland nur noch 762 neue Windanlagen installiert, 2017 waren es 1792. Das große Bayern fiel mit 8 neuen Windanlagen praktisch aus, speist dafür aber viel Sonnenstrom ins Netz. 2019 wird es einen weiteren Rückgang des Zubaus geben.
Bundesländer im Vergleich
Das küstenferne Sachsenanhalt hat 4‑mal so viel Windkraft-Leistung wie Nachbar Sachsen. Bayern speist 10-mal so viel Sonnenstrom ins Netz wie Thüringen, ist aber nur 4,5‑mal größer. Dafür ist in Thüringen der Biomasseanteil am Strom über 6‑mal so groß wie im großen Nordrhein-Westfalen. Die Geografie erklärt das nicht.
Das lässt nur einen Schluss zu: Den Ausbau der Erneuerbaren bestimmt auch die Landespolitik. Bayern hat seine 10-H-Regel: 10-mal die Höhe der Windanlage — heute bis 200 m — als Abstand zu „Siedlungen“(?). Da kann man freie Standorte lange suchen. Bundesgesetzlich gefordert sind 700 m, geplant: 1000 m.
Es soll Streit vermieden werden mit Anliegern und Naturschützern. Auch der Wald als Standort für Windanlagen ist für viele tabu. Wasch mich, aber mach mir den Pelz nicht nass. Wo soll der grüne Strom denn herkommen?
Aus dem Norden. Und da fehlt es am Netzausbau, an Speichern. Gerade schloss die Bundesnetzagentur die Beratungen zu Netzentwicklungsplan und Umweltbericht ab. Es folgen: der Bundesbedarfsplan, die Bundesfachplanung und die Planfeststellung über die genauen Trassen — ein langer Prozess. Aber mit eingebauter Beteiligung der Öffentlichkeit.
Meine Meinung
Das ist auch gut so. Wir sind aber kritikfreudiger geworden. Auch egoistischer? Haben wir noch das Allgemeinwohl, die Zukunftsfähigkeit im Auge? Wägen wir ab?
Der Lärm der nahen Kita stört. Er ist aber nicht zu vermeiden, will man Kinder frei erziehen. Ja, auch die Energiewende stört manchmal. Aber sie ist es wert, muss jedoch gerecht gestaltet werden. Wiegen meine individuellen Interessen wirklich so schwer, dass ich die Justiz bemühen und den notwendigen Ausbau der Erneuerbaren behindern muss? Helfen vielleicht Gewinnbeteiligungs-Modelle?
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