Welch ein September für die Klimapolitik! Am 20.9.2019 demonstrieren in Deutschland 1,4 Mio Menschen für Klimaschutz. Das Klimakabinett beschließt „Eckpunkte für das Klimaschutzprogramm 2030“. Drei Tage später hält Greta Thunberg ihre Wutrede „Wie könnt ihr es wagen“ beim Klima-Sondergipfel der UNO. Am 25.9. legt der Weltklimarat IPCC seinen Bericht über Eisschmelze und Ozeane vor.
Mutter Erde erlebt ein menschengemachtes „Klimakterium“ im ursprünglichen griechischen Wortsinn: eine kritische, gefahrvolle Zeit. Niemand weiß, ob und wie eine Weltbevölkerung von bald 9 Mrd. Menschen bei einer Erderwärmung von 3–5° überlebt. Und ob diese noch verhindert wird.
Die Erkenntnisse der Wissenschaft sind düster und drohend, aber (noch) nicht hoffnungslos. Inzwischen setzt sich die Methode des CO2-„Restbudgets“ durch: Um eine Obergrenze on 1,75° C Erderwärmung einzuhalten, darf Deutschland ab 2020 nur noch ein Restbudget von 6,6 Mrd. Tonnen CO2 emittieren. Machen wir weiter wie bisher, sind diese bereits 2028 verbraucht. So der Sachverständigenrat für Umweltfragen. Blasen wir mit anderen Industriestaaten dann weiter CO2 in die Luft, wird es noch in diesem Jahrhundert lebensfeindlich heiß auf dem Planeten. Länger – z.B. bis 2050 – würde das Restbudget reichen, wenn die CO2-Emissionen früh und radikal bis auf 0 reduziert würden. Soweit die Forschung.
Und die Politik – in Deutschland und anderswo? Muss sie nun jegliche Entscheidung dem Klimaziel unterordnen? Also: Strom nur noch aus Wind, Sonne und Biomasse, keine Diesel- und Benzin-Autos mehr, kein Flugverkehr mit Kerosin, keine Öl- und Gasheizungen, keine industrielle Land- und Viehwirtschaft mehr? Ja, so ist es, und zwar so bald wie möglich.
Was aber, wenn das Klimaziel dies alles fordert, bevor die CO2-freien Alternativen tatsächlich zur Verfügung stehen? Wenn das „Mögliche“ nicht ausreicht und das Notwendige nicht „möglich“ erscheint? Immerhin erfordern Wärmepumpen, Wasserstoffantriebe und synthetische Kraftstoffe Unmengen mehr Strom aus erneuerbaren Energien. Eine Vervielfachung von Windrädern, Photovoltaik‑, Biogas- und Speicher-Anlagen aber stellt den Naturschutz in Frage, verschandelt die Landschaft. 1000m-Abstand zu Wohngebäuden? Illusion. Von den sozialen Verwerfungen am Arbeitsmarkt ganz zu schweigen.
Das aber hält keine Demokratie aus – Ungerechtigkeit, Ungleichheit und Unzufriedenheit würden dramatisch wachsen. Es würde die Gesellschaft zerreißen.
Doch die Jugend ist panisch, misstrauisch und wütend: Die Alten haben mit ihren kapitalistischen Wachstumsidealen die Klimakrise verursacht, werden weniger unter den Folgen leiden und definieren nun das „Mögliche“ des Klimaschutzes?! Erst sie, die Enkel, aber werden die Kluft zwischen „möglich“ und „notwendig“ zu erleiden haben, hier und global.
Das Klimakabinett macht es sich zu leicht. Die Zeit der schmerzfreien Kompromisse mit viel Geld ist vorbei. Dafür ist es heute zu spät. Es muss Zumutungen geben, liebgewordene Gewohnheiten – übrigens auch der Jungen – müssen aufgegeben werden. Und es braucht eine ehrliche Analyse des Wirtschaftsmodells, das den Planeten an den Rand der Unbewohnbarkeit gebracht hat. Seine Protagonisten und Politiker tragen die Verantwortung für die dramatischen Wechseljahre unserer Erde.
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