Es ist Mai, der Wonnemonat mit den Frühlingsgefühlen. Anlass, über Fruchtbarkeit nachzudenken.
Je mehr Menschen die Erde bevölkern und je größer ihr Wohlstand, desto eher überschreiten wir alle zusammen die Kapazitäten der Erde. Denn sie sind endlich.
In Hamburg freuen wir uns über steigende Geburtenzahlen. Die deutsche Fruchtbarkeitsrate von 1,59 Kindern pro Frau (2016) liegt weit unter der, die zur Aufrechterhaltung der Bevölkerungszahl nötig wäre (2,1). Anders ist das global: Mit 2,56 Kindern pro Frau wächst die Weltbevölkerung weiter, allein 2017 um 83 Millionen auf ca. 7,5 Milliarden. 1950 waren es gerade einmal 2,3 Mrd. Für 2050 rechnen die UN (world population prospects) mit einer Weltbevölkerung von 9,7 Milliarden.
Nicht die bevölkerungsreichsten Staaten China (Geburtenrate: 1,6), Indien (2,45) oder die USA (1,87) sind die Treiber dieser Entwicklung, sondern Nigeria (201 Mio. Einw., Geburtenrate: 5,13) und die meisten anderen Staaten Afrikas. Bis 2100 wird sich die afrikanische Bevölkerung nach Berechnungen der UNO auf fast 4,5 Mrd. mehr als verdreifachen.
Gemeinsam ist den meisten afrikanischen Staaten neben der Fruchtbarkeit: die Armut, der geringe Bildungsgrad und die prekäre gesundheitliche Versorgung. Sie gehören zumeist zu den „least developed countries“. Man gönnt diesen Ländern deswegen von Herzen ein Wirtschaftswachstum (und ein gutes Regieren), das allen Einwohner*innen einen menschenwürdigen Lebensstandard ermöglicht. Aber bei Fortsetzung des Bevölkerungswachstums und einem Wohlstand ähnlich dem in Europa oder Nordamerika bekäme der Planet sicher noch in diesem Jahrhundert ernste Überlebensprobleme. Immerhin sieht die UNO für Afrika einen Rückgang der Fruchtbarkeitsrate voraus. Aber auch eine höhere Lebenserwartung und höchste Wachstumsraten der Wirtschaft.
Was tun? Eine Ein-Kind-Politik durchsetzen wie bis vor kurzem in China – menschenrechtswidrig, aber erfolgreich? Oder sollten die Afrikaner – wenn schon so fruchtbar – lieber arm bleiben? Um der übrigen Welt die Ressourcen der Erde für ihren Wohlstand zu erhalten?
Meine Meinung: Die Fruchtbarkeitsrate Afrikas darf bei der Einhaltung der planetarischen Grenzen ebenso wenig tabu sein wie der ökologische Fußabdruck des reichen Nordens. Beide sind zu hoch. Die Entwicklungspolitik Nord-Süd (wie auch die nationale Politik in den afrikanischen Staaten) sollte durch Aufklärung und freien Zugang zu Verhütungsmitteln kurzfristig ungewollte Schwangerschaften (und Abtreibungen) minimieren. Langfristig führen dann nach aller Erfahrung eine bessere Bildungs‑, Gesundheits- und Nahrungsversorgung „automatisch“ zu einem Rückgang der Geburten pro Frau. Für die EU heißt das z.B. aber auch, lokale afrikanische Märkte nicht durch eine erzwungene Öffnung für billige Exporte aus Europa zu zerstören. Unsere eigene Entwicklungspolitik sollte den ökologischen Fußabdruck zugunsten ärmerer Regionen überdenken und reduzieren. Solange der Lebensstandard eines Durchschnitts-Hamburgers drei Planeten Erde benötigte, wenn alle Menschen der Welt ihn übernähmen, solange haben wir jedenfalls kein Recht, allein die Fruchtbarkeit der afrikanischen Frauen für die Bedrohung der planetarischen Grenzen verantwortlich zu machen. Balken und Auge, Stein und Glashaus.
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