Die Welt verbessern. Nein, die Welt retten. Kleiner geht’s nicht: Die Klimawende, der Artenschwund, die Ausbeutung endlicher Ressourcen bedrohen den Planeten. Und mein Freundes- und Bekanntenkreis von Nachhaltigkeits-Aposteln will ihn retten. Der Kreis tut gut, gibt Wir-Gefühl, Sicherheit, Orientierung. Er kann einen aber auch täuschen.
Denn irgendwo gibt es auch noch „die anderen“, in der Nachbarschaft, der Verwandtschaft vielleicht. Man meidet das Thema, will ja nicht missionieren, will keinen Streit.
Aber Statistiken lügen nicht:
- Die Zahl der Neuzulassungen von SUV in Deutschland wächst seit Jahren, 2018 um 20,8% gegenüber 2017. Klimawandel? Ressourcenschwund?
- 2018 flogen 122,6 Mio. Passagiere von deutschen Flughäfen ab, 4% mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Kreuzfahrt-Passagiere hat sich seit 2008 verzehnfacht. Keine 10 % kompensieren die CO2-Emissionen. Flugscham? Klimawandel? Nachhaltiger Tourismus?
- Die EU versprach den Mercosur-Ländern Südamerikas 2019 die Einfuhr von 99.000 t Rindfleisch zu günstigeren Zöllen (cows for cars). Klimawandel? Fleischreduktion? Agrar-wende?
Wo soll das hinführen, so kann es doch nicht weitergehen! War das ganze Engagement seit der UN-Nachhaltigkeitskonferenz von Rio 1992 umsonst? Frust klopft an.
Aber dann kommen plötzlich die „Fridays for Future“-Teenies. Und es hagelt wieder Studien und Statements aus Wissenschaft und Forschung: Selbst wenn die Retter eine Minderheit sind — sie wird größer, es bewegt sich etwas! Fast jeden Tag könnte man eine Nachhaltigkeits-Veranstaltung besuchen, ein neues Fachbuch zur Rettung der Welt lesen. Zumindest die Worte der meisten Politiker*innen, jedenfalls in Europa, machen etwas Mut: Sie haben verstanden… Vielleicht bedarf es ja nur noch eines kleinen Anstoßes, um die Welt doch noch zu retten, endlich vom Wort zur Tat zu kommen. Es geht doch voran, es lohnt sich weiterzumachen. Die Motivation, die Lust kommt wieder durch.
Und dann schleicht sich wieder der Zweifel, die Erkenntnis heran, dass persönliche Bequemlichkeit, Egoismus und Angst vor Veränderung sich mit kurzsichtigen aber mächtigen Wirtschaftsinteressen zur Bedrohung des Planeten verbünden. Dass demokratische Politik nicht gegen die Befindlichkeiten und Überzeugungen der Mehrheit der Wähler*innen handeln kann. Dass meine kleine Welt nur ein heißer Stein in der Wüste ist, die nicht deswegen ergrünt, weil ich Wasser auf ihn tropfe.
Da kommt der Trotz: Ohnmacht verdrängen, die Realität der Statistiken und Wahlergebnis-se ignorieren. „Wir müssen uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen“, sagte Albert Camus.
Meine Meinung, was uns das sagen kann: akzeptieren, was ist, aber immer weiter daran arbeiten, das es sich ändert. Und zwar, weil es richtig ist – wie die sagen, die es wissen müssen. Weil es Sinn gibt.
Und vielleicht hat der SUV-Käufer ja gerade ein Energieplus-Haus mit Heizung ohne CO2-Emissionen gebaut, oder der Kreuzfahrer ist Veganer. Und beide tun mehr gegen den Klimawandel als ich. Man sollte sich kennenlernen… Statistiken sagen nicht alles.