Im Juli 2020 hat er es geschrieben, „als Theater- und Konzertsäle, Museen und Clubs, Kulturzentren und Veranstaltungsorte geschlossen sind“. Brosdas Metier ist zu. Er macht sich Gedanken über das Ganze, über die Folgen des Corona-Schocks, und prophezeit, dass Aufarbeitung der Coronakrise weit komplexer sein werde als die Kontrolle des Virus. Aus heutiger Sicht könnte es sein, dass wir es mit gewaltigen Komplexen zu tun haben. Was Nachhaltigkeitsakteuren schon länger klar ist, spricht er an: Global ist offensichtlich näher als es die meisten bisher wahrhaben wollten. Es wird sich nach Corona ändern – aber wie? Ein halbes Jahr später ist es kaum klarer.
Der Kultursenator diagnostiziert die Erschütterung des Kontrollverlustes, der Verletzlichkeit und dass das Virus doch nicht alle gleichermaßen trifft, sondern die vorhandenen Ungleichheiten noch verschärft. Er adressiert die Unbeholfenheit des öffentlichen Diskurses zwischen den Geboten virologischer Erkenntnisse und der Vielfalt der Betroffenheiten und Sichtweisen. Die Ratlosigkeit ist seit dem Sommer eher gewachsen.
Brosda setzt noch auf die Einsicht der Bevölkerung statt auf gewaltsam durchgesetzte Ultima Ratio. Ob er das heute noch so sieht? Unverändert richtig ist seine Feststellung, dass der demokratische und liberale Geist unseres Gemeinwesens nirgendwo so unmittelbar zu spüren sei wie an öffentlichen gesellschaftlichen und kulturellen Orten. „Wir werden unsere Welt nach den Erfahrungen dieser Wochen und Monate anders betrachten.“ Die einzeln zu rechtfertigenden Maßnahmen zur Virusbekämpfung und ihre hohen gesellschaftlichen Kosten müssen mit den demokratischen Kerngedanken in Einklang gebracht werden: „Es ist die Aufgabe einer demokratischen Gesellschaft, die Debatte darüber zu führen, wie der Ausgleich zwischen derartigen jeweils fundamentalen Ansprüchen gelingen kann.“
Die Debatten, die er auf uns zukommen sieht, sind unausweichlich: Die Transformation des ökologischen Bewusstseins unserer Gesellschaft steht an. Dabei dürften die Krisenerfahrungen hilfreich sein, dass wir unsere Routinen verändern können, dass die Politik sich trauen kann, ihr Primat in Anspruch zu nehmen, dass der Wert der gesellschaftlichen Solidarität zu spüren war, dass der öffentliche Raum, die Begegnung, der Diskurs eine fundamentale Basis einer demokratischen Gesellschaft darstellt und dass eine tragfähige Perspektive nur von uns Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam geleistet werden kann. Die Debatte über die Balance zwischen kapitalistischer und gemeinwohlorientierter Logik ist längst eröffnet. Diese gilt es gewissenhaft und ausführlich zu führen.
Es ist April 2021. Schwere Wochen und Monate liegen hinter uns und sagt man uns noch immer voraus. Das Büchlein hilft, sich auf die bevorstehenden, notwendigen Debatten vorzubereiten.
Hoffmann und Campe, 2020; ISBN 978−3−455−01046−6, 128 S., 15 Euro; E‑Book 11,99 Euro.