• Über uns
    • Auf­ga­ben & Leitziele
    • Unse­re Mitglieder
      • Mit­glied werden
      • Freund:innen des Zukunftsrates
    • Der Koor­di­nie­rungs­kreis
    • Die Geschäfts­stel­le
      • Sat­zung des Ver­eins “Stif­tung Zukunfts­rat Hamburg”
      • Geschäfts­ord­nung
    • His­to­rie
  • The­men
    • 25 Jah­re ZR – Eine digi­ta­le Festschrift
    • Das Ham­bur­ger Zukunftsmanifest
    • Enquete-Kom­mis­si­on “Nach­hal­ti­ge Zukunftsentwürfe”
  • Ter­mi­ne
    • Ver­an­stal­tung vorschlagen
  • Aktu­el­les
    • Pres­se­mit­tei­lun­gen
    • Der Zukunfts­rat Newsletter
      • News­let­ter Archiv
      • News­let­ter bestellen
    • Link Emp­feh­lun­gen
  • Publi­ka­tio­nen
    • Der HEINZ – Ham­bur­ger Ent­wick­lungs- INdi­ka­to­ren Zukunftsfähigkeit
  • Blog
  • Kon­takt
    • Mit­glied werden
    • News­let­ter bestellen

Wie geht es wei­ter mit der Bür­ger­be­tei­li­gung in Hamburg?

Posted on 22. November 2020

Am 20. Okto­ber 2020 hat­ten wir fach­kun­di­ge Gäs­te zum The­ma Bür­ger­be­tei­li­gung in Ham­burg zu einer Online-Dis­kus­si­on ein­ge­la­den. Auf­hän­ger war der Vor­schlag des Zukunfts­rats an die Bür­ger­schafts­frak­tio­nen, sich die­ser Fra­ge im Rah­men einer inno­va­ti­ven Enquete-Kom­mis­si­on „Nach­hal­ti­ge Zukunftsentwürfe“

Nach­fol­gend eine Zusam­men­fas­sung der Kern­aus­sa­gen aus den Impuls­re­fe­ra­ten unse­rer Gäs­te sowie eine kom­pri­mier­te Wie­der­ga­be der Fra­gen der Teil­neh­mer und Ant­wor­ten dazu.

  • Kern­aus­sa­gen aus den Impuls­re­fe­ra­ten unse­rer Gäste
  • Was wur­de dis­ku­tiert? – Fra­gen und Antworten

Kern­aus­sa­gen aus den Impuls­re­fe­ra­ten unse­rer Gäste

Dr. Ute Scheub — Poli­to­lo­gin, Jour­na­lis­tin und Buchautorin

Wir ste­cken in einem glo­ba­len Jahr­tau­send­um­bruch, des­sen Aus­ma­ße wir noch gar nicht abschät­zen kön­nen. Die mehr­fa­chen Kri­sen der Gegen­wart sind weni­ger Ursa­chen als viel­mehr sym­pto­ma­ti­scher Aus­druck der Hybris, dass der Mensch die Natur end­los unter­wer­fen, aus­beu­ten und ver­mark­ten könn­te, statt sich als Teil der Natur zu ver­ste­hen. Das alte Wirt­schafts­mo­dell stößt unwei­ger­lich an die pla­ne­ta­ren Gren­zen und so ste­hen wir vor dem Über­gang von einer egozen­tri­schen Betrach­tung der Welt hin zu einem geozen­tri­schen Blickwinkel.

Das Neue ist erst sche­men­haft erkenn­bar, was bei vie­len Men­schen Ver­wir­rung, Ver­leug­nung, Abwehr und Sta­tus­angst aus­löst — mit dem Rechts­po­pu­lis­mus als eines der sicht­bars­ten Zei­chen. Sol­che Bewe­gun­gen kann man aber durch­aus als Reak­tio­nen auf gesell­schaft­li­chen Fort­schritt wie etwa Gleich­be­rech­ti­gung zwi­schen den Geschlech­tern und zwi­schen Völ­kern betrach­ten. Da sie selbst eine Gefähr­dung für die eta­blier­ten Demo­kra­tien dar­stel­len, ver­ängs­ti­gen sie wie­der­um Politiker*innen; eine Mit­spra­che für den Pöbel wol­len sie ver­mei­den. Ver­ständ­lich, aber sol­che reflex­haf­ten Aus­gren­zun­gen zwi­schen Regie­ren­den und Regier­ten stel­len eine Ver­wei­ge­rung von Reso­nanz dar.

Demo­kra­tie ist aber ein kör­per­li­ches Bedürf­nis, die eige­ne Stim­me ein­zu­set­zen, wie es die Begrif­fe Selbst- und Mit­be­stim­mung, Anstim­men, Abstim­men, Zustim­men, Über­ein­stim­men etc. zum Aus­druck brin­gen. Man kann die Stim­me als ein regel­rech­tes Lust­or­gan begrei­fen; sie nicht ein­set­zen zu dür­fen, macht ihre Besit­zer depres­siv oder aggres­siv. Die Lösungs­an­sät­ze der Rechts­po­pu­lis­ten ver­mö­gen hier nicht wei­ter­hel­fen, denn sie stre­ben eine Gleich­schal­tung zum ein­stim­mi­gen Reso­nanz­kör­per an. Ergeb­nis wäre trost­lo­se Mono­to­nie, die wie­der­um ande­re Stim­men unter­drü­cken oder gar mit Gewalt und Zwang aus­schal­ten würden.

Das alte par­la­men­ta­ri­sche Sys­tem reicht für das kom­men­de Zeit­al­ter und sei­ne Her­aus­for­de­run­gen nicht mehr aus. Benö­tigt wird viel­mehr eine Vor­wärts­ver­tei­di­gung der Demo­kra­tie durch Erwei­te­rung statt Ein­gren­zung. Die Poli­tik darf sich nicht ein­kap­seln, son­dern muss sich öff­nen. Da ist ein Schmet­ter­ling, der schlüp­fen will, der die Pup­pe spren­gen wird. Daher ist die Initia­ti­ve des Zukunfts­rats, eine Enquete-Kom­mis­si­on zur Insti­tu­tio­na­li­sie­rung erwei­ter­ter Bür­ger­be­tei­li­gung ein­zu­set­zen, sehr begrüßenswert.


Dr. Hans-Joa­chim Men­zel — Jurist, Autor, Mit­grün­der und lang­jäh­ri­ger Spre­cher des Zukunftsrats

Aus­ge­hend von der Ham­bur­ger Ver­fas­sung, gab Men­zel einen Über­blick über die in Ham­burg vor­han­de­nen Bür­ger­be­tei­li­gungs­in­stru­men­te. Ange­fan­gen mit der Wahl (Her­ab­set­zung des Wahl­al­ters auf 16 Jah­re beab­sich­tigt) über Peti­tio­nen, die auf Online-For­men aus­ge­wei­tet wer­den sol­len, bis zu den Volks- und Bür­ger­initia­ti­ven sowie Bür­ger­schafts­re­fe­ren­den, die ja eine Mit­be­stim­mung der Bürger*innen ein­schlie­ßen. Die Betei­li­gung der Bürger*innen durch die Ver­wal­tung ist bis­her durch die Depu­ta­tio­nen, deren Abschaf­fung im Koali­ti­ons­ver­trag nie­der­ge­legt ist. Ersatz soll ein Ver­fas­sungs­auf­trag für eine bür­ger­na­he und trans­pa­ren­te Ver­wal­tung lie­fern. Es wird Bezug auf das gera­de novel­liert Trans­pa­renz­ge­setz genom­men, aber da ist auch der Auf­hän­ger für mehr Betei­li­gung gera­de in der Verwaltung.

Dar­über hin­aus ist Bür­ger­be­tei­li­gung spe­zi­al­ge­setz­lich bzw. bun­des­ge­setz­lich durch Bera­tungs­gre­mi­en mit Recht zur Anhö­rung und Stel­lung­nah­men wie etwa im Bau­recht, Wege­recht, Umwelt­recht und in der Stadt­ent­wick­lung gere­gelt. Ergän­zend kom­men infor­mel­le Gre­mi­en wie z.B. die Stadt­Werk­statt vor, die jedoch mehr den Cha­rak­ter von Erklä­rungs- und Infor­ma­ti­ons­for­ma­ten haben.

Aber die vor­lie­gen­de Initia­ti­ve beschränkt sich nicht nur dar­auf, wie Bür­ger­be­tei­li­gung gestal­tet wer­den soll, son­dern auch wozu. Die gro­ßen Zukunfts­fra­gen von Kli­ma über Pan­de­mie bis zum Radi­ka­lis­mus sind kei­ne rein staat­li­chen Fra­gen, son­dern gesamt­ge­sell­schaft­li­che Fra­gen, die ohne eine gewich­ti­ge Stim­me der Bürger*innen nicht zu lösen sind. Ham­burg hat im Jahr 2017 den Umset­zungs­plan der Agen­da 2030 für die Nach­hal­tig­keits­zie­le der VN ver­ab­schie­det. Ange­kün­digt waren bis Ende 2018 eine Zwi­schen­bi­lanz und ein Moni­to­ring­sys­tem mit Indi­ka­to­ren, Ziel­wer­ten und Sta­tis­ti­ken vor­zu­le­gen. All das ist bis heu­te nicht erfolgt. Dies ist in dem Kon­text des heu­ti­gen The­mas wich­tig, denn der Umset­zungs­plan sah auch ein zivil­ge­sell­schaft­li­ches Gre­mi­um vor, das die Umset­zung kri­tisch beglei­ten soll­te. Die­ses Gre­mi­um – das Nach­hal­tig­keits­fo­rum Ham­burg – arbei­tet seit zwei Jah­ren, hat Vor­schlä­ge für sol­che Indi­ka­to­ren vor­ge­legt, aber so gut wie kei­ne Reso­nanz sei­tens des Senats erfahren.

Der Koali­ti­ons­ver­trag nimmt Bezug auf die gesell­schaft­li­che Trans­for­ma­ti­on und die essen­ti­el­le Teil­ha­be jun­ger Men­schen und lie­fert einen wei­te­ren Anknüp­fungs­punkt für die For­de­run­gen nach mehr Betei­li­gung der Bürger*innen.

Schließ­lich ent­hält die Ham­bur­ger Ver­fas­sung das Instru­ment einer Enquete-Kom­mis­si­on „zur Vor­be­rei­tung von Ent­schei­dun­gen über umfang­rei­che und bedeut­sa­me Sach­kom­ple­xe“. Die Nach­hal­tig­keits­zie­le der VN sind unbe­streit­bar ein sol­cher Sach­kom­plex. Aus der Ver­gan­gen­heit ist eine Enquete-Kom­mis­si­on bei vie­len mit der Vor­stel­lung von Sach­ver­stän­di­gen mit Pro­fes­sor- oder Dok­tor­ti­teln. Aber hier könn­te man ja bereits bei der Zusam­men­set­zung neue Wege gehen und etwa Bür­ger­rä­te mit ein­be­zie­hen. Man kann es auch als Ziel­stel­lung einer Enquete-Kom­mis­si­on anse­hen, sol­che Instru­men­te zu gestal­ten und zu eta­blie­ren. Es geht also nicht um fer­tig for­mu­lier­te Ant­wor­ten, son­dern um ein Instru­men­ta­ri­um, wie man die Zukunfts­fra­gen fort­lau­fend mit Poli­tik und ZG erar­bei­ten kann.


Was wur­de dis­ku­tiert? – Fra­gen und Antworten

(1) Poten­ti­al für Spaltung

Fra­ge: Kann es bei Bür­ger­rä­ten nicht auch ein Poten­ti­al für Spal­tung geben? Es gibt doch sicher auch Bei­spie­le für geschei­ter­te Bürgerräte?

Ant­wort: Alle Bei­spie­le von Bür­ger­rä­ten zei­gen, dass Bürger*innen, die per Zufall rein­kom­men, sich wirk­lich freu­en ein­ge­la­den zu sein und zur Lösung bei­tra­gen wol­len. Es gibt kei­ne bekann­ten Bei­spie­le für Bür­ger­rä­te, die an Spal­tung geschei­tert wären. Alle Mei­nun­gen sind zuge­las­sen, aber die Bürger*innen fin­den in aller Regel zu einem Konsens.

(2) Infor­ma­ti­ons­stand der Beteiligten

Fra­ge: Kann ein Bür­ger­rat sicher­stel­len, dass die Betei­lig­ten über die The­men infor­miert sind, die zur Debat­te ste­hen? Wie sol­len die Bürger*innen sach­ver­stän­dig werden?

Ant­wort: Ein Bür­ger­rat stellt vor allem einen Lern­pro­zess zu einem The­ma dar. Die Erfah­rung zeigt, dass sich die Bür­ger stark in die The­ma­tik ver­tie­fen. In den Pro­zess sind auch Expert*innen ein­be­zo­gen, die unter­schied­li­che Sicht­wei­sen zum The­ma vor­tra­gen. Die Bürger*innen wer­den zu Sach­ver­stän­di­gen. Dies setzt natür­lich einen qua­li­ta­tiv gut struk­tu­rier­ten und mode­rier­ten Pro­zess vor­aus. Dafür gibt es spe­zia­li­sier­te Insti­tu­te. Im Gegen­satz zu den Debat­ten, die nach der Par­tei­lo­gik und Frak­ti­ons­dis­zi­plin ablau­fen, gelan­gen die Bür­ger­rä­te durch Dia­log und Abwä­gen zu einem Kon­sens. Gleich­zei­tig lösen die Bür­ger­rä­te bei den Teilneh­mer*in­nen ein Demo­kra­tie­er­leb­nis aus, das sie sonst fast nie erfah­ren. Bei jeder Wahl wird den Bürger*innen auch der nöti­ge Sach­ver­stand und Urteils­kraft zugetraut.

(3) The­men­aus­wahl für Bürgerräte

Fra­ge: Wie kommt man zu einer Aus­wahl der wesent­li­chen The­men und die Hin­ter­grün­de und Ursa­chen dafür? Wie bringt man die Kom­pe­ten­zen der Ham­bur­ger zivil­ge­sell­schaft­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen und Initia­ti­ven und die Bürger*innen mit­ein­an­der in Verbindung?

Ant­wort: Je nach­dem, wie all­ge­mein oder wie spe­zi­ell die Fra­ge­stel­lung an den Bür­ger­rat for­mu­liert wird, lässt sich ein Bür­ger­rat unter­schied­lich gestal­ten. Die Anfor­de­run­gen an die Mode­ra­ti­on sind dann auch unter­schied­lich und der Dia­log wird unter­schied­lich ver­lau­fen. Ein gro­ßes The­ma kann auch in meh­re­re Teil­fra­gen unter­teilt wer­den. Je grö­ßer das The­ma, des­to mehr geht es um Wer­te, je klei­ner das The­ma, des­to näher ist man an kon­kre­ten Hand­lungs­emp­feh­lun­gen. Die vie­len Bür­ger­rä­te haben sehr ver­schie­den­ar­ti­ge The­men behan­delt. Sie las­sen sich von lokal oder regio­nal über natio­nal oder inter­na­tio­nal bis glo­bal zuschnei­den. Auch die gro­ßen The­men eig­nen sich her­vor­ra­gend. Das Beson­de­re ist ja gera­de, dass Bür­ger­rä­te gesell­schaft­li­che Kon­flik­te auf eine Wei­se bear­bei­ten kön­nen, das sich (fast) alle in den Ergeb­nis­sen auf­ge­ho­ben füh­len. Natür­lich muss die Orga­ni­sa­ti­on, die Grö­ße und Dau­er ent­spre­chend ange­passt sein.

(4) Ver­bind­lich­keit von Bürgerräten

Fra­ge: Was brin­gen Bür­ger­rä­te, wenn schon die Ver­bind­lich­keit von Bür­ger­ent­schei­den in Fra­ge gestellt wird?

Ant­wort: Die Ham­bur­ger Ver­fas­sung betrach­tet die Bezir­ke als Ver­wal­tungs­ein­hei­ten und nicht als Kom­mu­nen. So kommt es nach jet­zi­ger Geset­zes­la­ge vor, dass der Senat einen Bür­ger­ent­scheid evo­zie­ren kann. Im Gegen­satz zu Bür­ger­ent­schei­den ist der Bür­ger­rat ein rein kon­sul­ta­ti­ves Instru­ment und kann nur Emp­feh­lun­gen in den poli­ti­schen Pro­zess ein­brin­gen. Gera­de bei den gro­ßen Fra­gen der Nach­hal­tig­keit müs­sen wir ein­fach mal was ganz Neu­es aus­pro­bie­ren. Viel­leicht kann man mit einer inno­va­ti­ven Enquete-Kom­mis­si­on auch die Que­re­len zwi­schen Bezirks- und Senats­ebe­ne hin­ter sich lassen.

(5) Reprä­sen­ta­ti­vi­tät

Fra­ge: Wie kann denn ein aus­ge­los­ter Bür­ger­rat wirk­lich reprä­sen­ta­tiv sein? Vie­le rele­van­te Kri­te­ri­en kann man doch gar nicht erheben.

Ant­wort: Die Reprä­sen­ta­ti­vi­tät hängt ers­tens mit der Grö­ße des Gre­mi­ums zusam­men. Ein Gre­mi­um von 5–7 Per­so­nen kann schwer­lich die Bevöl­ke­rung reprä­sen­ta­tiv abbil­den. Anders als in For­schungs­pro­jek­ten oder Umfra­gen, geht es hier aber dar­um, die wich­tigs­ten demo­gra­phi­schen Merk­ma­le reprä­sen­tiert zu sehen, v.a. Geschlecht, Alter, Wohl­ge­gend, Bil­dungs­stand, Migra­ti­ons­hin­ter­grund. Je schwie­ri­ger die Fra­ge, des­to grö­ßer soll­te das Gre­mi­um sein. Es gibt Bei­spie­le für natio­na­le Bür­ger­rä­te von 100 bis sogar 900 Teilnehmer*innen. Es scheint, dass eine Grö­ßen­ord­nung von 150 bis maxi­mal 300 nicht über­schrit­ten wer­den soll­te, damit die Teilnehmer*innen sich noch ken­nen­ler­nen und sozi­al und mora­lisch den Pro­zess bewäl­ti­gen. Für die Kon­sens­fin­dung ist dies von gro­ßer Bedeutung.

Ver­gleicht man die Reprä­sen­ta­ti­vi­tät von Bür­ger­rä­ten mit der deut­scher Par­la­men­te, so bil­den sie die Bevöl­ke­rung recht gut ab. Die Abge­ord­ne­ten im Bun­des­tag sind zu 70% Män­ner und zu 20% Juris­ten und rekru­tie­ren sich aus Par­tei­mit­glie­dern, die ledig­lich 1,5% der Bevöl­ke­rung ausmachen.

Der von Mehr Demo­kra­tie initi­ier­te Bür­ger­rat Demo­kra­tie umfass­te 160 aus­ge­los­te Bür­ger, der von BDI durch­ge­führ­te Bür­ger­dia­log umfass­te 3 x 70 aus­ge­los­te Bürger*innen in drei Städ­ten, der vom Bun­des­tag geplan­te Bür­ger­rat „Deutsch­lands Rol­le in der Welt“ soll eben­falls 160 aus­ge­los­te Bürger*innen umfassen.

(6) Qua­li­tät der Ergeb­nis­se eines Bürgerrates

Fra­ge: War­um soll­ten die Ergeb­nis­se eines Bür­ger­ra­tes qua­li­ta­tiv bes­ser sein als die im Par­la­ment gefundenen?

Ant­wort: Bür­ger­rä­te bestehen in der Regel ja nicht nur aus Bürger*innen, son­dern wie bei Par­la­men­ten oder Aus­schüs­sen, wer­den je nach Bedarf Exper­ten von außen oder aus der Ver­wal­tung ein­ge­la­den und ange­hört. Wel­che Expert*innen gehört wer­den, kann ja mit dem Bür­ger­rat erör­tert wer­den. Bewährt hat sich auch die Pra­xis, dass auch Politiker*innen für Fra­gen und als Beob­ach­ter zur Ver­fü­gung ste­hen, ohne dass sie an den Gesprä­chen aktiv teil­neh­men. Aber in Irland haben sie in einem Bür­ger­rat ein Drit­tel der Teil­neh­mer ausgemacht.

Das Erfolgs­ge­heim­nis der Bür­ger­rä­te liegt wesent­lich dar­in begrün­det, dass sie nicht nach der Par­tei­en­lo­gik arbei­ten: Regie­rung schlägt vor – Oppo­si­ti­on ist aus Prin­zip dage­gen, oder umge­kehrt. Regie­rung stellt etwas zur Abstim­mung – Abge­ord­ne­te fol­gen der Fraktions­disziplin, auch wenn sie im Ein­zel­ge­spräch zuge­ben, dass sie ande­rer Mei­nung sind. In den par­la­men­ta­ri­schen Aus­schüs­sen, in denen auch Sach­ver­stän­di­ge gehört wer­den, nähern sich die Frak­tio­nen zwar an, müs­sen aber ihr Pro­fil wah­ren. Anders in den Bür­ger­rä­ten, in denen sich die Teil­neh­mer unge­bun­den auf ein The­ma kon­zen­trie­ren kön­nen, sich sowohl sach­lich als auch per­sön­lich annä­hern und sogar ihre Mei­nung ändern kön­nen. So erreicht man in der Regel viel schnel­ler einen Konsens.

Eine Emp­feh­lung an die Poli­tik, die so ent­stan­den ist, muss die Poli­tik zwar nicht befol­gen, aber sie muss gute Grün­de haben, es nicht zu tun und die­se auch öffent­lich darlegen.

(7) Bür­ger­rä­te anfäl­lig für Lobbyismus?

Fra­ge: Öff­nen Bür­ger­rä­te nicht Tür und Tor für Lob­by­is­ten? Wer­den da nicht bald neue Geschäfts­mo­del­le für Lob­by­is­mus ent­ste­hen, um die Bür­ger­rä­te zu beeinflussen?

Ant­wort: In Ber­lin kom­men auf einen Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten im Schnitt etwa 7–8 Lob­by­is­ten, in Brüs­sel ca. 20–25. Abge­se­hen davon, dass Lob­by­is­ten Bür­ger­rä­te aus rein orga­ni­sa­to­ri­schen Grün­den nur schwer beein­flus­sen kön­nen (sie wis­sen ja nicht, wer aus­ge­lost wird), schützt der abwä­gen­de Dia­log vor sol­chen Ein­flüs­sen. Da müss­te ein Lob­by­ist ja die Bürger*innen regel­recht ver­fol­gen. Dar­über hin­aus macht es für Lob­by­is­ten rein orga­ni­sa­to­risch wenig Sinn, denn der direk­te Zugang zur Poli­tik ist doch viel ein­fa­cher. Für neue Geschäfts­mo­del­le fehlt jeg­li­cher Anreiz.

(8) War­um den Umweg über eine Enquete-Kommission?

Fra­ge: War­um soll­te man nicht gleich einen Bür­ger­rat Kli­ma­po­li­tik durch­füh­ren, statt den Umweg über eine Enquete-Kom­mis­si­on, die ein geschicht­lich vor­ge­präg­tes Gre­mi­um ist? Wir müs­sen den Pro­zess in Gang set­zen. Wir haben doch kei­ne Zeit mehr für eine jah­re­lan­ge Enquete-Kommission.

Ant­wort: Die Enquete-Kom­mis­si­on hat­te frü­her tat­säch­lich eine ganz ande­re Funk­ti­on als heu­te und wur­de oft als ein Instru­ment für das Schie­ben auf die lan­ge Bank oder Ver­hin­dern wahr­ge­nom­men. Im vor­lie­gen­den Vor­schlag des Zukunfts­ra­tes hat die Enquete-Kom­mis­si­on die vor­ge­schal­te­te Fra­ge zu stel­len, wel­che Optio­nen für Bür­ger­be­tei­li­gun­gen gibt es. Wir kön­nen nicht vor­ge­ben, dies bereits zu wis­sen. Jede der heu­te bestehen­den For­men hat sei­ne Vor- und Nach­tei­le, wie etwa das Kopp­lungs­ver­bot bei Volks­ent­schei­den, das das The­ma auf eine punk­tu­el­le Fra­ge­stel­lung ein­schränkt. Wir haben aber kom­ple­xe Fra­gen der Nach­hal­tig­keit vor uns, die sozia­le, öko­lo­gi­sche, demo­kra­ti­sche und kul­tu­rel­le Aspek­te berüh­ren. Wir haben also sowohl umfas­sen­de the­ma­ti­sche als auch Ver­fah­rens­fra­gen zu beant­wor­ten. Hier ist nach unse­rer Auf­fas­sung ein Dia­log zwi­schen Bür­ger­schaft, der orga­ni­sier­ten Zivil­ge­sell­schaft und den Bürger*innen — viel­leicht in Form von Bür­ger­rä­ten nötig. Aber eine Enquete-Kom­mis­si­on und ein Bür­ger­rat für Kli­ma schlie­ßen sich nicht gegen­sei­tig aus. 

Dem Vor­schlag zufol­ge, soll die Enquete-Kom­mis­si­on die­ses Mal eine in jeder Hin­sicht inno­va­ti­ve sein. Einen wei­te­ren Vor­teil sieht der Zukunfts­rat dar­in, dass die Ham­bur­ger Ver­fas­sung eine Enquete-Kom­mis­si­on aus­drück­lich für kom­ple­xe Fra­gen vor­sieht und man daher nicht auf eine Ver­fas­sungs­än­de­rung war­ten muss. Bezüg­lich der detail­lier­ten Zusam­men­set­zung lässt die Ver­fas­sung erheb­li­che Spiel­räu­me und man kann ohne Ver­zug begin­nen. So kann die Enquete-Kom­mis­si­on eine Kupp­lungs­rol­le zwi­schen dem Par­la­ment und Zivil­ge­sell­schaft und den Bürger*innen ein­neh­men, gera­de weil alles ande­re ja bis­her unbe­frie­di­gend gewe­sen ist.

(8) War­um noch eine wei­te­res Beteiligungsgremium?

Fra­ge: Es gibt doch schon so vie­le Betei­li­gungs­gre­mi­en in der Stadt, Bei­rä­te für Stadt­tei­le, für Jugend, sogar einen Lan­des­jagdt­bei­rat. Häu­fig weiß man von deren Exis­tenz zwar nichts, sie ver­öf­fent­li­chen nichts. Anders­wo mögen sie viel­leicht gut funk­tio­nie­ren. Sie bewe­gen aber nichts, über­all nimmt man Frus­tra­ti­on wahr. Müss­ten wir nicht erst ein­mal grund­sätz­lich ein­mal über­le­gen, wohin wir in die­ser Gesell­schaft mit der Mit­be­stim­mung hinwollen?

Ant­wort: Genau mit die­ser grund­sätz­li­chen Fra­ge soll sich ja die Enquete-Kom­mis­si­on befas­sen und sich mit den ver­schie­de­nen For­men der Bür­ger­be­tei­li­gung aus­ein­an­der­set­zen. Die Gre­mi­en sol­len in ihrer Zusam­men­set­zung, in ihrer Grö­ße, ihren Ver­fah­ren und in ihrer Dau­er mög­lichst gut auf die zu adres­sie­ren­den Fra­ge­stel­lun­gen zuge­schnit­ten sein. Genau das her­aus­zu­fin­den soll­te die Auf­ga­be der Kom­mis­si­on sein. Dort wo bereits funk­tio­nie­ren­de Betei­li­gungs­for­men gege­ben sind, sol­len sie nicht abge­schafft wer­den. Viel­leicht gibt es aber Ideen, wie man sie noch wei­ter ent­wi­ckeln kann.

(9) Bür­ger­rä­te sind nicht für alles geeignet

Fra­ge: Die Dis­kus­si­on hat sich stark auf die Enquete-Kom­mis­si­on und auf Bür­ger­rä­te kon­zen­triert. Sie kön­nen sinn­voll sein, aber sind auch mit Auf­wand ver­bun­den. Wenn es dar­um geht, Bürger*innen im All­tag Gehör zu ver­schaf­fen, wo vie­le Fra­gen im sozia­len Raum­vor­kom­men, sind Bür­ger­rä­te nicht umsetz­bar. Man muss auch auf ande­re For­ma­te schauen.

Ant­wort: Rich­tig. Es geht nicht dar­um, funk­tio­nie­ren­de For­ma­te außer Kraft zu set­zen, son­dern Ansät­ze dort zu fin­den, wo die Lösun­gen bis­her nicht vor­han­den sind oder nicht funktionieren.

(10) Wie sieht so ein Bür­ger­rat in der Regel aus? Wie funk­tio­niert er?

Bür­ger­rat ist ein sehr fle­xi­bles Instru­ment, das auf die Fra­ge­stel­lung und auf die Umstän­de zuge­schnit­ten wer­den kann und muss. Daher gibt es für sie kein ein­heit­li­ches Modell. Es vari­iert von Land zu Land, von Fall zu Fall. Es gibt Bür­ger­rä­te, die nur aus aus­ge­los­ten Bür­gern bestehen, aber auch ande­re Modelle.

Typi­scher­wei­se beginnt ein Bür­ger­rat mit einer Eröff­nungs­pha­se, wo sich die Mode­ra­ti­on vor­stellt, den Bürger*innen die Fra­ge­stel­lung und den Ablauf erläu­tert. Es wir geklärt, wel­che Sach­ver­stän­di­gen nach wel­chen Kri­te­ri­en aus­ge­wählt und ein­ge­la­den werden.

Auch die Dau­er vari­iert, aber man soll­te sich Zeit las­sen, wenn es um wich­ti­ge Fra­ge­stel­lun­gen geht. Man muss sich im Lau­fe des Bür­ger­rats in das The­ma ein­ar­bei­ten kön­nen. Bei umfas­sen­den Fra­gen kann sich ein Bür­ger­rat ein gan­zes Jahr lang tref­fen, aber idea­ler­wei­se soll­te es wenigs­tens ein hal­bes Jahr sein. Wenn Anrei­se nötig ist, trifft man sich an Wochen­en­den, damit auch Berufs­tä­ti­ge teil­neh­men kön­nen, oft z. B. ein­mal im Monat. Ide­al ist, wenn die Bürger*innen dafür eine Ent­schä­di­gung erhal­ten und für etwa für Pfle­ge oder Auf­sicht von Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen die Kos­ten über­nom­men wer­den. Bür­ger­rä­te kos­ten also auch Geld, das soll­te man nicht ver­ges­sen. Auch für eine gute Mode­ra­ti­on und Raum­mie­te muss Finan­zie­rung vor­han­den sein.

Das Ergeb­nis eines Bür­ger­ra­tes im ein­fachs­ten Fall eine ein­fa­che Lis­te von Rat­schlä­gen sein. Bei dem Bür­ger­rat Demo­kra­tie wur­de eine Lis­te von 22 Vor­schlä­gen erar­bei­tet, über die die Bür­ger­rats­teil­neh­mer abstimm­ten. Die Lis­te wur­de mit den jeweils abge­ge­be­nen Stim­men an den Bun­des­tag über­reicht. Sehr beliebt sind Bür­ger­gut­ach­ten, in denen sich die Teil­neh­mer auf bestimm­te For­mu­lie­run­gen von Emp­feh­lun­gen im Kon­sens eini­gen. Für die Eini­gung gibt es auch ver­schie­de­ne Ver­fah­ren, wie z. B. das Konsensieren.

Ein Bür­ger­rat ist kon­sul­ta­tiv und kann nur emp­feh­len. Das Ergeb­nis kann in den übli­chen par­la­men­ta­ri­schen Pro­zess zuge­führt wer­den, es kann zusätz­lich eine Bür­ger­um­fra­ge über die Emp­feh­lun­gen vor­ge­nom­men wer­den oder ein Refe­ren­dum. Ent­schei­dend ist, dass von Anfang an eine wie auch immer gestal­te­te Pflicht der Poli­tik besteht, das Ergeb­nis zur Kennt­nis zu neh­men und damit auf ver­ab­re­de­te Wei­se umzu­ge­hen. Wenn die­se Klar­heit nicht vor­liegt, dann soll­te man mit einem Bür­ger­rat erst gar nicht anfan­gen. Denn wenn ein Bür­ger­rat tol­le Ergeb­nis­se zei­tigt und die­se ein­fach ver­puf­fen, ist gro­ßer Frust die Fol­ge und das ist schlim­mer als gar kein Bürgerrat.

Vorheriger Beitrag
Hand­buch Kli­ma­kri­se – Die rele­van­ten Fak­ten, Zah­len und Argu­men­te zur gro­ßen Trans­for­ma­ti­on von Marc Pendzich
Nächster Beitrag
Wir begrü­ßen unse­re neu­en Mit­glie­der Bäcke­rei Bah­de, Ven­Ga e.V., NACK Büro­ein­rich­tun­gen GmbH

© (Copy­right) 2010 — 2023 Zukunfts­rat Hamburg

  • Daten­schutz­er­klä­rung
  • Impres­sum
  • Kon­takt
  • Pri­vat­sphä­re-Ein­stel­lun­gen ändern
  • His­to­rie der Privatsphäre-Einstellungen
  • Ein­wil­li­gun­gen widerrufen