Die Bilder vom Zusammensturz des Fabrikgebäudes in Dhaka, Bangladesch, haben wohl jeden erschüttert. Über 1100 Menschen sind dabei zu Tode gekommen. Wenn man die unmenschlichen Arbeitsbedingungen der Näher*innen dort an der ständig wechselnden Billigmode spiegelt, wird die Absurdität der Lieferketten sichtbar. Die Ursache für die Katastrophe im Jahr 2013 waren Gier, vielfache Verantwortungslosigkeit und Korruption, nicht nur vor Ort, sondern entlang der ganzen Lieferkette. Und Rana Plaza ist nur ein Beispiel unter vielen, wie unser 65. Ratstreffen vor Kurzem deutlich machte: Textilien, Schuhe, Palmöl, Rohstoffe aller Art, Medikamente usw. werden unter Bedingungen in die westlichen Industrieländer importiert, die hier keine gesetzlichen Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmer, der Umwelt und der Gesundheit erfüllen würden.
Die Corona-Pandemie führt uns die untragbaren Strukturen der Lieferketten wieder einmal vor Augen. Während an diesem Ende ein Finanzpaket das andere zur Rettung hiesiger Unternehmen jagt, sind die am schwersten Betroffenen wieder die Schwächsten Glieder der Kette. DAS MUSS EIN ENDE HABEN! Die Zivilgesellschaft fordert seit langem danach, dass die Unternehmen, die die höchsten Gewinne aus den Strukturen beziehen, auch Verantwortung übernehmen müssen. Schöne Worte und leere Versprechungen sind schlicht nicht mehr hinnehmbar.
Die Erholung von Corona muss neue Vorzeichen bekommen: Fairer Handel – im umfassenden Sinn der Worte. Zwei zentrale Komponenten müssen grundlegend renoviert werden:
- Investitions- und Handelsabkommen der EU mit den Lieferländern
- die Verantwortung der Unternehmen, die die Vorteile aus den Abkommen genießen, aber für Verletzungen der Menschenrechte oder für Korruption in diesen Ländern gesetzlich nicht zur Verantwortung gezogen werden können.
Die Zivilgesellschaft hat beide Missstände angeprangert, wurde dafür gern als wirtschaftsfeindlich, auch USA-feindlich und vom Wirtschaftsminister nur als „reich und hysterisch“ diskreditiert. Die OECD hat sich bereits deutlich zu Wort gemeldet und eine Umgestaltung der Investitionsabkommen gefordert und schon längst zu mehr Fairness in den Handelsabkommen aufgerufen, in denen die seit 2015 angekündigten Antikorruptionsklauseln noch immer nicht angewendet werden. Die UN Entwicklungs- und Handelsorganisation UNCTAD ebenso. Wenn die Lieferländer ihre eigenen Märkte vor unseren vielfach subventionierten westlichen Produkten schützen wollten, war Protektionismus die große Keule, die geschwungen wurde.
Auf einmal ist alles anders. Angst vor China hat auch hierzulande Protektionismus wieder salonfähig gemacht. Protektionismus kommt nämlich vom ‚schützen‘. Mit Corona erleben wir es selbst, was es bedeutet, wenn man nicht grenzenlos produzieren und verkaufen kann, wenn es nicht mehr selbstverständlich ist, dass man arbeiten und die Familie ernähren kann.
Für Hamburg bedeutet dies, dass die Freie und Hansestadt zugunsten einer gründlichen Neuorientierung in Richtung sozial-ökologischer Transformation deutlich Position beziehen muss:
- Kein Handelsabkommen der alten Sorte darf mehr von Hamburg ratifiziert werden.
- Hamburg muss seine Stimme für ein Lieferkettengesetz erheben, das die Sorgfaltspflichten der Unternehmen für Menschenrechte, Umwelt und Korruptionsprävention verbindlich regelt
Hier finden Sie einige Beispielvideos von Vorkommnissen, die nach einer gesetzlichen Sorgfaltspflicht schreien:
- Rana Plaza fünf Jahre nach dem Einsturz 2013 (2:38 min):
https://www.youtube.com/watch?v=roEG3O_HLyM
- Teeanbau in Assam, Indien 2019 (1:30 min)
https://www.missio-hilft.de/online—spenden/projekte—foerdern/asien/indien/indien—menschenhandel—auf—den—teeplantagen—stoppen/
- Fabrikbrand im Jahr 2012 bei KiK-Zulieferer in Pakistan – Betroffene berichten (2:37 min):
https://youtu.be/PbrqRZMod‑A
- Entwaldung für Palmölanbau in Indonesien (2018, 3:38 min)
https://www.youtube.com/watch?v=KKewd0bR_Bw
- Dammbruch in Brumadinho, Brasilien am 25. Jan 2019 (0:57 min)
Eisenerzgewinnung für deutsche Stahlproduktion; TÜV-Süd zertifizierte den Damm als sicher:
https://youtu.be/AJJPyvRk0Do
- Menschenrechtsverletzungen beim Kakaoanbau in Afrika 2020 (8:36 min)
https://www.youtube.com/watch?v=B1Iv50L7P74
- Freihandelsabkommen gefährdet Umwelt in Brasilien 2019 – Pestizide, Regenwaldrodung, Vertreibung der Bewohner(2:47 min)
https://www.dw.com/de/freihandelsabkommen-gef%C3%A4hrdet-umwelt-in-brasilien/av-49534790
- Coltanabbau Menschenrechtsverletzungen in Kongo 2017 (7:33 min)
https://www.dw.com/de/coltan—und—menschenrechte—im—kongo/av—38784662
- Medikamentenproduktion & multiresistente Keime in Indien 2017 (1:23 min) –Pharma-Abwässer
https://www.youtube.com/watch?v=iPa5NyA0SFI