Und wenn ja, was sind die wichtigsten Bausteine einer Lösung?
Die Herausforderung ist wahrlich komplex, das war uns von Anfang an klar. Dass wir die eine Lösung – den silver bullet – nicht an einem Abend finden würden, wussten wir auch. Aber einen Beitrag zum Verständnis darüber, was Fachleute aus verschiedenen Blickwinkeln als Lösungskomponenten betrachten, wollten wir vor dem Hintergrund des gerade vom EU-Parlament verabschiedeten EU-Lieferkettengesetzes (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) erfahren. Wir haben uns gefreut, in Kooperation mit Fair Trade Stadt Hamburg mit dieser Veranstaltung am 2. Mai den Auftakt für die Aktionswoche KOSMOS Jupiter zu liefern und trotz wunderschönen Wetters den Saal mit interessiertem Publikum voll vorzufinden.
Der Fokus fairer Lieferketten liegt bei Menschenrechten, Umweltschutz, Rohstoffversor-gung und bei der Verantwortung der beteiligten Unternehmen und Staaten. All dies, während wir versuchen müssen, sparsam mit knappen Rohstoffen umzugehen, die Transformation zu nachhaltigen Produktions- und Konsummustern hinzukriegen und bei all dem den Frieden zu erhalten bzw. wiederherzustellen.
Dr. Heidi Feldt, arbeitet seit mehr als 25 Jahren freiberuflich in der Entwicklungszusammen-arbeit u.a. für die GIZ und die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe sowie für Misereor und Brot für die Welt, und äußerte sich einigermaßen skeptisch: „Alle sprechen jetzt von einer ‚just transition‘, um aus den fossilen Rohstoffen auszusteigen und die Energiewende einzuleiten. Gleichzeitig brauchen wir für die Energiewende viele der sog. strategischen Rohstoffe. Lithium, Kupfer, Seltene Erden, Kobalt usw., aber bisher haben wir es nicht geschafft, wirklich bessere internationale Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Wir sehen eine Vielzahl einzelner rohstoffbezogener initiativen (Copper Mark, Aluminium Stewardship Initiative, Cobalt Alliance, etc.), aber bringen die Veränderungen uns hin zu einem menschenrechtlichen, sozial- und umweltverträglichen Rohstoffabbau?“
Es geht um vielfach schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, die mit der Gewinnung der für uns so wichtigen Rohstoffe einhergeht: Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Landraub mit Vertreibung indigener Völker, Verweigerung der Menschenrechte an Frauen bis hin zu Sextortion, Verweige-rung von Löhnen, von denen man leben kann, Verweigerung von Bildung für Kinder und Zerstörung der Gesundheit der Menschen im Rohstoffbergbau. Inzwischen können wir auch den Klimawandel dazu zählen, der über Jahrzehnte durch den Abbau fossiler Energien und – gegen wissenschaftliche Erkenntnisse – durch Desinformation über deren schädliche Wirkung auf unsere Lebensgrundlagen vorangetrieben wurde. Obendrein gehört Korruption stets zu den Mitteln, die eingesetzt werden, um die Einhaltung der Menschenrechte zu umgehen. Daran sind nicht nur die Rohstofflieferländer, sondern auch die Industrie(staate)n der nördlichen Hemisphäre aktiv beteiligt.
Prof. Dr. Peter Eigen, der Mitbegründer von Transparency International sowie der Extractive Industries Transparency Initiative, trug ein klares Anliegen vor: „Es ist unverzichtbar, die Zivilgesellschaft in den Rohstoffländern einzubeziehen und die Lieferketten-Regeln mit Multi-Stakeholder-Programmen innerhalb der Produktionsländer zu verbinden, um auch dort einen Konsens für sozialverantwortliche Produktion herzustellen. Dies sollte mit Gegenstand von Handelsabkommen sein. Dies allein den europäischen Unternehmen aufzubürden, kann nicht gelingen, denn dazu fehlt ihnen die Entscheidungsgewalt vor Ort.“ Er wies dabei auf eine frühere Initiative der Garment Industries Transparency Initiative (GITI) im Rahmen der Humboldt-Viadrina Governance Platform gGmbH hin, auf der man aufbauen kann. Gleichzeitig bestehe die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Akteuren, also nicht nur zwischen Regierungen und Unternehmern in den Erzeugerländern, sondern auch den internationalen Käufern, Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft. Es bedarf eines integrativen, partizipativen Prozesses.
Matthias Fiedler, Geschäftsführer des Forum Fairer Handel e.V., des vielleicht größten zivilgesellschaftlichen Netzwerkes, dass sich in Deutschland und in Kooperation mit internationalen NGOs für fairen Handel einsetzt, betonte, dass „eine gerechte und nachhaltige Rohstoffpolitik die notwendige Energie- und Rohstoffwende zusammendenken muss”. Das Eine gehe nicht ohne das Andere.
Betrachtet man auf der Landkarte die Staaten, die Rohstofflieferanten sind, wird deutlich, wie schwierig dieses Zusammendenken ist. Wir haben es nicht nur mit „lupenreinen Demokratien“ zu tun, um es untertrieben auszudrücken. Dies mit unseren Werten in Einklang zu bringen, ist eine Herkulesaufgabe, und so manche Kröte wird wohl zu schlucken sein. Dies auch, weil der Globale Süden viel selbstbewusster geworden ist und als Partner wahrgenommen werden will, die geopolitische Lage neue Allianzen hervorgebracht hat, die Disruption der Transportketten, die die Verhandlungsposition der herkömmlichen Industrieländer schwächt und diese zur Diversifikation der Lieferländer zwingt. Wir müssen uns mit allen Akteuren zusammensetzen, aber „das Machtgefälle gehe nicht allein dadurch weg, dass man sich an einen Tisch setzt“, betonte Fiedler.
Die Machkonzentration in den Händen weniger Unternehmen wurde von den Teilnehmer:innen auf dem Podium kritisch beleuchtet und die Notwendigkeit eines systemischen Wandels betont um die bestehenden Machtstrukturen aufzubrechen. Fiedler hat in diesem Zusammenhang von dem Trend berichtet, das Unternehmen sich immer vertikaler aufstellen, was wiederum zu einer Machtkonzentration führt.
Die Diskussion zeugten von Einigkeit darüber, dass die Lösungsansätze gesetzlicher Regulierung benötigen, um nachhaltige Veränderung herbeizuführen. Darüber hinaus ist die Stärkung von Organisationen und Kooperationen notwendig, um verbindende Elemente in und zwischen den Gesellschaften zu finden.
Wir werden die Umsetzung des EU-Lieferkettengesetzes weiterhin kritisch verfolgen. Die Diskussion hat uns viele wichtige Stichworte dazu geliefert.
Besonders gefreut haben uns besonders über die zahlreichen Fragen aus dem engagierten Publikum, und anschließend hatten wir noch Gelegenheit zu vertiefteren Gesprächen in dem lauen Abend auf der Dachterrasse des Jupiter.
Ein großes Dankeschön gilt der Fair Trade Stadt Hamburg für die Organisation der KOSMOS-Aktionswoche!