… und der Druck auf wirksameren Klimaschutz steigt
Schon im Jahr 2021 hatte das Bundesverfassungsgericht einen wichtigen Beschluss gefasst, nach dem die Lasten des Klimawandelns nicht auf künftige Generationen abgewälzt werden dürfen. Nun hat der Internationale Gerichtshof (IGH) in seinem Gutachten vom 23. Juli1 der Weltgemeinschaft klar gemacht, dass sie Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreifen muss. Diese Klarstellung betrifft insbesondere die Industriestaaten. Deutschland und insbesondere hamburg sind davon betroffen.
Ohne einzelne Länder aufzuzählen, hat der IGH klargestellt,
- dass der Klimawandel eine universelle und existenzielle Gefahr darstellt,
- dass alle Staaten (nicht nur diejenigen, die dem Pariser Klimaabkommen beigetreten sind!) verpflichtet sind, effektive Maßnahmen gegen die Erderwärmung zu ergreifen,
- dass das 1,5°C‑Ziel der Maßstab ist, an dem sich die staatlichen Aktivitäten zu orientieren haben,
- dass sich die Verantwortung nicht auf Aktivitäten auf dem eigenen staatlichen Territorium beschränkt, sondern sich auch auf Aktivitäten eines Staates erstreckt, die unter seiner Kontrolle anderswo stattfinden,
- dass saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt ein Menschenrecht und eine Voraussetzung für das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit ist.
Obwohl dieses Gutachten selbst noch nicht rechtlich bindend ist, müssen sich Staaten darauf einstellen, dass Gerichte dieses Gutachten zur Grundlage ihrer Entscheidungen machen. Verletzung der genannten Prinzipien kann also durchaus rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, bis hin zur Wiedergutmachung von Schäden, die Menschen – auch in anderen Ländern — erleiden. Auch das deutsche Klimaschutzgesetz könnte sich als rechtswidrig herausstellen.
Die Argumentation von Bundeskanzler Friedrich März, das Deutschland ja „nur“ 2 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verursachen würde, zieht nicht. Diese Art der Verantwortungsdiffusion, d.h. wenn mehrere Akteure verantwortlich sind, übernimmt niemand Verantwortung, hilft nicht mehr. Denn Deutschland trug nach Analysen von CarbonBrief2 seit 1750 bis 2002 als viertgrößter CO2-Emittent hinter USA, China und den ehemaligen Staaten der Sowjetunion mit knapp 8 Prozent zu dem CO2-Ausstoß der zehn größten Emittenten bei. Betrachtet man alle Staaten, auch diejenigen, die die geringsten historischen CO2-Emissionen verursacht haben, zeigt die Analyse von ClimateWatch3, dass Deutschland im Zeitraum 1850 ‑2021 ca. 4,5 Prozent zum heutigen CO2-Gehalt in der Atmosphäre verantwortlich ist. Die meisten EU-Mitgliedstaaten haben erhebliche CO2-Last verursacht. Wer als do Europa jetzt führen will, muss nicht nur die Gesamtverantwortung der EU im Blick halten, sondern mit gutem Beispiel vorangehen.
Deutschland und viele EU-Mitgliedstaaten haben auch aufgrund ihres Wohlstandes und ihrer Technologie- und Wissen(schaft)sverfügbarkeit, die Möglichkeit – und die Verantwortung — viel mehr als bisher zu tun. Insbesondere in den Bereichen Bauwirtschaft und allen Formen des Verkehrs hat Deutschland seine Möglichkeiten bei Weitem nicht ausgeschöpft. All das trifft auch auf den wohlhabendsten Bundesland Hamburg mit seinen Bau- und Umbauvorhaben, dem Autoverkehr, dem Hafen und dem Flughafen zu.
Das IGH-Gutachten liefert dem Hamburger Zukunftsentscheid und allen anderen Bürgerinitiativen und ‑begehren, die sich um Klima- und Umweltschutz bemühen, neuen Rückenwind und festigt ihre Legitimität. Jetzt ist es aber am Wichtigsten, dass die Klimagesetze und ‑pläne auf allen Ebenen an den neuesten Klimafakten und an den Anforderungen dieses IGH-Gutachtens anpassen.
Helena Peltonen-Gassmann
1 Verpflichtungen der Staaten in Bezug auf den Klimawandel. Gutachten des IGH (engl): https://www.icj-cij.org/sites/default/files/case-related/187/187–20250723-adv-01–00-en.pdf
3 Quelle: ClimateWatch. “Historical GHG Emissions”. https://www.climatewatchdata.org/ghg-emissions?breakBy=countries&calculation=CUMULATIVE&chartType=line&end_year=2021®ions=WORLD&source=PIK&start_year=1850
