„Fahrrinnenanpassung“ gescheitert: Umweltverbände fordern unabhängige Aufarbeitung. Anlässlich des Streits zwischen dem Hamburger Senat und der Wasser- und Schifffahrtsstraßenverwaltung des Bundes (WSV) stellen die im Aktionsbündnis „Lebendige Tideelbe“ zusammengeschlossenen Umweltverbände NABU, BUND und WWF fest, dass die im Frühjahr offiziell abgeschlossene Elbvertiefung nicht nur gescheitert, sondern sogar überflüssig war. Während Bürgermeister Peter Tschentscher der WSV vorwirft, durch unzureichendes Sedimentmanagement die Funktionstüchtigkeit des Hamburger Hafens zu beeinträchtigen, betonten mehrere Reedereien, dass sie mit den derzeitigen Tiefgangsbeschränkungen sehr gut klarkämen. Offensichtlich gab es noch kein einziges Schiff, das den Hafen nicht anlaufen konnte, da die Großschiffe einen Teil ihrer Ladung ohnehin in anderen Häfen löschen und somit „geleichtert“ die Elbe in Richtung Hamburg fahren, wie der Deutschland-Chef der französischen Reederei CMA CGM, Peter Wolf, gegenüber dem Abendblatt angab.
„Es geht nicht um die Existenz der Reeder, aber es geht um die Existenz der Elbe“, warnt das Aktionsbündnis Lebendige Tideelbe. „Es ist eine politische und behördliche Bankrotterklärung, wenn Hamburg ohne Not die Fahrrinne der Elbe einen Meter tiefer halten möchte und mit dauerhaften, massiven Baggerarbeiten den ganzen Fluss zugrunde richtet. Während Politik und Wirtschaft betonen, die Elbe und den Hafen nachhaltig bewirtschaften zu wollen, sind manche der Verantwortlichen bereit, den Fluss aus Image- und Profitinteressen Einzelner zu ruinieren. Die Elbe ist „aus dem Ruder gelaufen“, die Sedimenttransportprozesse sind nicht mehr kontrollierbar. Es muss Schluss sein mit der sinnlosen Baggerei, bevor die ökologischen Schäden irreparabel sind“, fordern NABU, BUND und WWF.
Seit der letzten Vertiefung gehen verstärkt jeden Tag ökologisch wertvolle Flachwasserzonen in den Seitenbereichen der Elbe durch Verlandung verloren. Die angekündigte Intensivierung der Baggeraktivitäten würde das Problem vergrößern und die europäischen Schutzgebiete Stück für Stück zerstören. Die Flachwasserzonen haben eine zentrale Funktion als Laich‑, Aufwuchs‑, Rückzugsgebiet und Lebensraum für Fische und andere Wasserlebewesen. Während die Fahrrinne und die Hafenbecken permanent ausgebaggert werden, verbleiben die Sedimente in den ökologisch wertvollen Bereichen dauerhaft.
Sind die Arten und Lebensräume erst einmal verschwunden, ist es kaum noch möglich, diese durch Renaturierungsmaßnahmen nachhaltig wieder herzustellen. Derzeit bricht die Fischpopulation in der Elbe und damit die ganze Nahrungskette regelrecht zusammen. So sind etwa die Bestände des Stints, der noch vor wenigen Jahren als „Massenfisch“ in der Elbe galt, dramatisch zurückgegangen.
Die Umweltverbände betonen, dass es jetzt nicht nur um eine ökonomische Lösung für Teile der Hafenwirtschaft gehen dürfe. Vielmehr sei ein Rettungsplan für den Fluss und damit für den Lebensraum vieler bedrohter Tiere und Pflanzen erforderlich.
Die Verbände erwarten, dass sie an dem von Bürgermeister Tschentscher geforderten Schlickgipfel mit dem Bund, mit Niedersachsen und Schleswig-Holstein beteiligt werden. Alle von ihnen vor dem Bundesverwaltungsgericht eingebrachten Vorhersagen, dass das Tidesystem der Elbe mit der Vertiefung außer Kontrolle gerate, hätten sich als zutreffend herausgestellt – die vom Gericht als valide eingestuften Bewertungen der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) dagegen als völlig falsch. Bei dem geforderten Schlickgipfel wollen sich die Umweltverbände dafür einsetzen, dass externe Gutachter die ökologische Situation der Elbe unabhängig von politischer Einflussnahme beurteilen.
Für Rückfragen der Presse:
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