Mehr Transparenz, mehr Kontrolle, mehr Ehrlichkeit! Nachhaltiges Produktdesign statt end-of-pipe-Politik!
Ressourcen- und Klimaschutz fordern ab 2019 erhöhte Anstrengungen, ohne sie wird Hamburg die Ziele verfehlen
Deutschlands Rohstoffe stecken im Abfall. Hamburgs Abfall-Berg ist einer der höchsten der Republik. Nur Müllvermeidung und Recycling sparen Rohstoffe und CO2-Emissionen. Ab 2019 müssen die Dualen Systeme mehr Verpackungs-Abfall recyceln, Kunststoffe zu 58%. Für alle Siedlungsabfälle zusammen fordert das Kreislaufwirtschaftsgesetz ab 2020 eine Recyclingquote von 65 %. In Hamburg fehlt es an Transparenz und Kontrolle. Die von der Umweltbehörde genannte „Recyclingquote“ ist eine Irreführung. Kreislaufwirtschaft beginnt bei der Herstellung des Produkts, nicht erst beim Abfall.
Seit vergangenem Jahr versucht die Arbeitsgruppe Kreislaufwirtschaft des Zukunftsrats Hamburg, Recyclingquoten zu ermitteln, Abfallfraktionen nachzuverfolgen und Müllvermeidung zu stärken. Sie stößt dabei an enge Grenzen:
Was die Umweltbehörde als Recyclingquote bezeichnet, ist nicht der Anteil des Mülls, der tatsächlich stofflich verwertet (=recycelt) wird. Es ist vielmehr der Anteil des Abfalls, der in den bunten Tonnen getrennt gesammelt und von der Stadtreinigung abgeholt wird — also der Input für die Sortierbetriebe. Wer Windeln oder Staubsaugbeutel falsch in die gelbe oder blaue Tonne wirft statt in die Restmülltonne, erhöht damit diese Recyclingquote! Das ist irreführend — entscheidend muss der output der Sortierbetriebe sein, der dort gewonnene Anteil nutzbarer Rohstoffe. Altpapier, Altglas, Metalle und Bioabfälle können in hohem Maße tatsächlich stofflich verwertet werden. Bei der gelben Wertstofftonne / dem gelben Sack ist das aber anders. Nach Angaben der Behörde wird nur ca. die Hälfte ihres Inhalts als sortierte nutzbare Rohstoffe weiter verkauft, der Rest verbrannt. Die ehrliche Gesamt-Recyclingquote Hamburgs liegt deswegen weit unter der offiziellen Quote von 45,8 % (Recyclingquote 2 nach dem Abfallwirtschaftsplan 2017). Mit business as usual wird Hamburg sie bis 2020 nicht auf die gesetzlich geforderten 65% steigern. Die Recyclingquoten der einzelnen Müllfraktionen sind nicht verfügbar.
Die weiteren Wege des Hausmülls — nach der getrennten Sammlung durch die Stadtreinigung — und besonders die des Gewerbemülls verlaufen für die Öffentlichkeit im Sande. Abfallentsorgung ist Privatwirtschaft und da gibt es Geschäftsgeheimnisse. Auch die Hamburger Stadtreinigung blieb eine Antwort zum Verbleib von Elektroaltgeräten schuldig. Abfallwirtschaftsplan und Abfallstatistik der Umweltbehörde (Haushalt und Gewerbe) geben nur Aufschluss über die „zur Verwertung“ oder „zur Beseitigung“ gesammelten Müllfraktionen aus Haushalt und Gewerbe sowie über verbrannte Abfallmengen. Im Dunkeln bleiben die einzelnen Recyclingmengen, die Exportmengen, die Stoffströme und Finanzströme der Abfallwirtschaft, Ausschreibungen sowie Anzahl und Ergebnisse staatlicher Kontrollmaßnahmen. Für Kontrollen vor Ort fehlt das Personal. Hier fordert der Zukunftsrat mehr Transparenz.
Denn Ressourcen- und Umweltschutz ist insgesamt eine Aufgabe des Gemeinwohls und der Daseinsvorsorge. Politik und Verwaltung müssen die Erfüllung dieser Aufgabe gewährleisten, transparent machen, effizient kontrollieren und darüber öffentlich Rechenschaft ablegen.
Darüber hinaus fordert der Zukunftsrat Hamburg ein grundsätzliches Umdenken:
Ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft muss viel stärker vom Herstellungsprozess, vom Produktdesign, und weniger von der Müllverwertung her gedacht werden. Der Zukunftsrat erwartet von der Hamburger Politik den Mut, Hersteller und Verpacker verbindlich auf eine ressourcenarme, reparaturfreundliche, nach Rohstoffen trennbare und Recycling-fördernde Produktion zu verpflichten. Neben der Prüfung landesrechtlicher Möglichkeiten sollte Hamburg eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel der Müllvermeidung starten.
Zwischen einem ressourcensparenden Produkt-Design und einem effizienten Recycling steht nachhaltiger Konsum, Abfallvermeidendes Verbraucherverhalten. Hier fordert der Zukunftsrat von Stadtreinigung und Behörde eine Informations- und Motivationskampagne. Sie sollte die Förderung konkreter Alternativen einschließen wie: Repair Cafés, Upcycling Workshops, Unverpackt-Läden, Secondhand-Läden, Kleidertauschpartys, Flohmärkte, Wochenmärkte, Biokisten vom Bauern, Urban Gardening, E‑bay Kleinanzeigen, www.nebenan.de und andere.
Hamburg hat sich zur Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele von 2015 verpflichtet (Bü-Drs. 21/9700). Ziel 12.5 heißt: „Bis 2030 das Abfallaufkommen durch Vermeidung, Verminderung, Wiederverwertung und Wiederverwendung deutlich verringern“. Die jährlichen Broschüren der Stadtreinigung zur Aufklärung der Verbraucherinnen und Verbraucher reichen dafür nicht aus. Das ist alte end-of-pipe-Politik statt eines modernen produktintegrierten Umweltschutzes (PIUS) und Ressourcenkreislaufs.
Die Arbeitsgruppe Kreislaufwirtschaft des Zukunftsrates Hamburg ist ein interdisziplinärer Kreis aus Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Verbraucherschutz, Design und Kommunikation sowie Mitgliedern der cradle-to-cradle- und der zero-waste-Bewegung.
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